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Die offene Kulturkneipe startet russisch rockig
Von Barbara Barth

Oberstenfeld Hereinspaziert. Die Offene Kulturkneipe im Oberstenfelder Stiftskeller sperrt am Samstag, 29. September, erstmals ihre Pforten auf. Damit will der Kulturverein Oberes Bottwartal ein neues Terrain betreten. Klassik, Kabarett und Kleinkunst finden seit 25 Jahren ihr Publikum, jetzt sollen weitere Musikrichtungen ausprobiert werden: Kommt auch Rock, Blues, Pop oder Boogie an?

Geschmack Das will Monika Streicher jetzt herausfinden. Die zweite Vorsitzende des Kulturvereins hatte die Idee zu dem Projekt Offene Kulturkneipe. Hintergrund ist, dass neue und jüngere Mitglieder angesprochen werden sollen. Denn helfende Hände fehlen an allen Ecken und Enden. Die Veranstaltungen des Kulturvereins in Beilstein und Oberstenfeld vorzubereiten und zu organisieren, bringt die meisten älteren Mitglieder oft an ihre Grenzen.
Wenn sich durch das neue Angebot jetzt vielleicht Menschen unter 50 Jahren dem Verein anschließen, denkt Monika Streicher, dann wäre das eine willkommene Verjüngung.
Das Besondere an der neuen Reihe: Sie kostet keinen Eintritt, spontanes Erscheinen ohne Karte ist also möglich. Nach Schluss der Veranstaltung geht ein Kulturkorb herum. Die Besucher geben, was ihnen das Konzert wert war. Den Inhalt erhalten die Künstler.
"Es gibt viele gute Gruppen und Solisten, die noch relativ unbekannt sind", hat Streicher festgestellt. Die Offene Kulturkneipe schafft ihnen eine Möglichkeit zum Auftritt.
Die erste Gruppe am kommenden Samstag nennt sich Archipel Gulag nach Alexander Solschenizyns Roman über das stalinistische Unrechtssystem. Der Sänger der vierköpfigen Band stammt aus Sibirien. Sergei German (42) singt die eigenen Texte in Russisch, die Musik komponiert er mit dem Gitarristen Thomas Güntter (47). Beide machen seit 2005 gemeinsam Musik. Schlagzeuger Peter Müller (46) und der Bassist Bernd Derdau (51) komplettieren das Quartett.

Verbundenheit Bis auf Derdau, der Profi ist, haben die in Remseck, Marbach und Beilstein lebenden Musiker einen bodenständigen Beruf, sind Familienväter, und dem "klassischen Rock der 80er Jahre" verbunden, so Thomas Güntter. "Allerdings ist er angereichert mit slawischer Schwermut, moll-betont", beschreibt German die Richtung. Dass er in seiner Muttersprache singt, empfindet er nicht als Problem. "Die Texte der meisten Songs in Englisch, Französisch oder Portugiesisch verstehen die Leute auch nicht." Als semi-professionell bezeichnet sich Archipel Gulag. "Wir haben einen großen Probenraum, ein riesiges Equipment und sehr viel Spaß", so Peter Müller. In Oberstenfeld werden sie Stücke ihrer ersten CD spielen. Ein zweiter Block soll akustisch sein, ein dritter "je nach dem, wie das Publikum reagiert". Hendrik van Gent will "immer wieder Neues präsentieren und damit hoffentlich positiv überraschen".

Es gibt mindestens zwei Pausen, in denen die Zuhörer miteinander und den Musikern ins Gespräch kommen können. "Musik hören, reden, essen und trinken - die tolle Atmosphäre im Stiftskeller ist prädestiniert dafür", findet Monika Schreiber. Das Speisenangebot soll deshalb aus mehr als einer Butterbrezel bestehen, und bei den Getränken ist der Verein auf ein jüngeres Publikum eingestellt.



Die offene Kulturkneipe startet russisch rockig
Von Mareike Burkhardt

Oberstenfeld
Dem Kulturverein Oberes Bottwartal geht es wie vielen anderen Vereinen auch: Der Nachwuchs fehlt. Die meisten der Mitglieder haben die 0 schon hinter sich gelassen und auch die Besucher der bisherigen Veranstaltungen des Vereins - vor allem Klassik und Kabarett - sind eher im reifen Altern.
"Die Jungen fehlen und es rückt auch niemand nach!" bemängelt die zweite Vorsitzende des Kulturvereins, Monika Steicher, den derzeitigen Altersdurchschnitt in und um den Verein. Das Projekt "Offene Kulturkneipe" (Okuk), das am Samstag im Oberstenfelder Stiftskeller aus der Taufe gehoben wurde, soll nun Abhilfe schaffen.

Zur Okuk kamen rund 70 Besucher in den urigen Stiftskeller nach Oberstenfeld. Geboten wurde ihnen dort eher Ungewöhnliches: russischer Rock mit der Band Archipel Gulag. Sänger Sergei German ist in Sibirien aufgewachsen und singt seine Songs in der Sprache seiner Kindheit. Vor jedem Lied gab er deshalb eine kurze Zusammenfassung des Inhalts. Und das war meist keine leichte Kost: Sergei sang vom Drogentod und dem Leben auf der Müllkippe.

Der Stimmung im Stiftskeller tat die "slawische Schwermut" aber keinen Abbruch. Mitsingen war in diesem Fall zwar nicht möglich, dafür aber Mitwippen und auch ein bisschen Mitrocken. Zum Konzept gehört auch, dass Band oder Solointerpreten nicht gleich in der Garderobe verschwinden. Das Publikum soll die Möglichkeit haben, mit ihnen in Kontakt zu treten. Und auch die Band ihrerseits soll ein bisschen Werbung für den Kulturverein machen, erklärte Monika Streicher die Pausen zwischen den einzelnen Auftritten.

Eintritt zahlen muss übrigens keiner, der die offene Kulturkneipe besucht. Am Ende eines jeden Konzerts geht der Kulturkorb herum, dessen Inhalt den Künstlern als Gage dient. Die Idee zum Projekt "Okuk" stammt von Monika Streicher, die "was Neues probieren" und mit Kneipenathmo, Rock, Pop, Blues und Weltmusik ein Publikum erreichen will, das die 50 noch nicht erreicht hat.

Das ist ihr bereits am ersten Abend gelungen. Um halb acht habe sie zwar noch ein wenig Bauchschmerzen gehabt, ob sich der Keller füllt, aber eine Stunde später war alles wieder gut: Denn da war der Stiftskeller richtig voll. Weitere fünf Termine stehen bereits fest. Zwei in diesem Jahr und drei im nächsten. "Nach den sechs Veranstaltungen ist dann erst mal Schluss", so Monika Streicher. In der Sommerpause wollen die Verantwortlichen überlegen, wie es weitergeht.


Rock auf Russisch

Oberstenfeld Offene Kulturkneipe feiert gelungene Premiere im Stiftskeller
Von Barbara Barth

Die Anspannung ist bei den Verantwortlichen des Kulturvereins Oberes Bottwartal zu spüren: Werden Leute kommen? Wird die Premiere der Offenen Kulturkneipe gelingen? Monika Streicher, Martin Hinze und Hendrik van Gent haben mit Helfern den Stiftskeller in einen atmosphärischen Treff verwandelt. Rote und weiße Seidenpapierlampions hängen von der Decke, Kerzen stehen auf dem Tisch, die Küche ist bereit. Nun müssen nur noch die Gäste kommen.
Sie kommen. Etwa 80 Leute wollen russischen Rock mit der Band Archipel Gulag hören. Das Gewölbe ist gut gefüllt. Keiner weiß, was ihn erwartet, denn diese Art Musik ist im Bottwartal nicht gängige Praxis.

Zaghaft Wer sitzen will kann sitzen. Wer stehen will, steht. "Are you ready for Rock 'n' Roll?", ruft Sänger Sergei German ins Publikum. Das "Yeah" kommt noch etwas zaghaft zurück, aber die vier legen los. - die russischen Texte erzählen von Kriegswirren und Drogenabhängigkeit, vom Tod und vom Leben am Rande der Gesellschaft. Musikalisch sind die Stücke oft ähnlich, die meisten stammen noch aus der Studentenzeit des heute 42-jährigen German in Sibirien. Aber es gibt auch rhythmisch Interessantes mit überraschenden Taktwechseln. Zuhörer Bill Bergelt, selbst Musiker, erkennt "ungewöhnliche, geshuffelte Riffs".
Richtig Stimmung kommt auf, als das Quartett einen Ohrwurm spielt. Hände klatschen, Füße wippen bei "Those were the days my friend". Dass der Mary-Hopkin-Hit aus dem Jahre 1968 auf einem russischen Volkslied von 1917 basiert, erfahren die meisten erst an diesem Abend. Viele Coverversionen des melancholischen Chartstürmers sind entstanden, unter anderem von Alexandra, Dalida und den Leningrad Cowboys. Nach einer ersten Pause wird's kuschelig. Da rücken die Musiker und die Zuhörer eng zusammen, denn Sergei German, Bernd Derdau, Peter Müller und Thomas Güntter können auch akustisch spielen, fast ohne Verstärker. "Kalinka" macht sich da mit ihrem sehnsuchtsvollen Gitarrensound besonders gut.
Später, im dritten Teil des Konzerts, werden sie das Volkslied noch einmal in einer verrockten Version spielen. Auch das russische Liebeslied "Katjuscha" nehmen sie sich vor. Immer, wenn bekannte Melodien ertönen, rockt der Keller. "Wollen wir noch was hören?" "Dawei, dawei."
Ein Arbeitskollege von German in einer Firma für Metallverarbeitung findet die Musik "einfach klasse". Eugen Weber hat sie schon auf verschiedenen Konzerten erlebt und hört "das Blech" heraus. "Das ist der Sound seiner Arbeit."
Im dritten Teil glänzt Bernd Derdau mit harten Bass-Improvisationen. Der einzige Berufsmusiker des Quartetts ist an Musikschulen und der VHS Weinsberg Dozent für Gitarre, Bass und Keyboard.

Gespannt Das Publikum ist zufrieden, kaum einer verlässt den Keller während des Konzerts, obwohl Monika Streicher zu Beginn des Abends Kommen und Gehen in einer Kneipe als normal bezeichnet hat. Die stellvertretende Kulturvereins-Vorsitzende hat neue Gesichter gesehen. Auch aus Auenstein ist ein Ehepaar da, das schon vor zwei Jahren den ersten Versuch des Vereins mit Rockmusik miterlebt hat. Damals hat ihnen das Duo Bodo Schopf und Werner Dannemann so gut gefallen, dass sie beim neuerlichen Anlauf auf jeden Fall dabei sein wollten.
An der Bar, auf den Bänken entlang der Steinwände und an den Bistrotischen wird diskutiert. Die Offene Kulturkneipe findet allgemeine Zustimmung. Ob sich die auch in Mitgliederzahlen niederschlägt, wird sich zeigen. Monika Streicher findet es auf jeden Fall einen Versuch wert, auch jüngere Mitmacher für den Verein zu aktivieren.

Hintergrund

Ohne Eintritt
Prinzip der Offenen Kulturkneipe ist es, keinen Eintritt zu verlangen. Damit die Künstler nicht gänzlich leer ausgehen, geht am Ende der Vorstellung ein Kulturkorb herum. In den engen Schlitz stecken die Leute, was ihnen der Auftritt wert war. "Es reicht vom Zwei-Euro-Stück bis zum Zehn-Euro-Schein", hat Martin Hinze beobachtet. Aber auch solche Kommentare hat er gehört: "Ich hab kein Geld". Oder: "Wenn ich jetzt etwas hineinstecke, spielen die dann noch weiter?" bab



Archipel Gulag eröffnen die Reihe 
"Offene Kulturkneipe" des Kulturvereins. 
Von Christian Kempf "Marbacher zeitung"

Ein jüngeres Publikum ansprechen, den einen oder anderen Mitstreiter gewinnen und testen, wie Rock, Blues und Weltmusik im Bottwartal ankommen: All das möchte der Kulturverein Oberes Bottwartal mit der "Offenen Kulturkneipe" erreichen. Die neue Veranstaltungsreihe geht im Oberstenfelder Stiftskeller über die Bühne. Der Eintritt ist frei, und die jeweiligen Künstler nehmen sich immer wieder Zeit, um in einen Dialog mit dem Publikum zu treten. Zum Auftakt am Samstag, 29. September, gastiert die Band Archipel Gulag in Oberstenfeld. Eine Gruppe, deren Mitglieder eine ganze Menge zu erzählen haben. Und die Musik ist auch nicht von der Stange.

Das Besondere an der Combo ist, dass sie auf russische Texte setzt. Zudem prägen slawische Einflüsse unverkennbar den Sound. Dazu durchweht die Songs eine gewisse Melancholie - die man ja auch der russischen Seele nachsagt. Das ist allerdings keine billige Masche, um sich aus der Masse abzuheben, sondern hängt vor allem mit dem Frontman des Quartetts zusammen. Der heißt Sergei German und stammt ursprünglich aus Sibirien. 1999 siedelte er mit seiner Frau nach Deutschland über. In Marbach fand er ein Zuhause. Hier lebt der 42-jährige bis heute.

Wer den Schillerstädter in fließendem Deutsch parlieren hört, mag kaum glauben, dass er die Sprache erst vor 13 Jahren gelernt hat. Singen will er trotzdem weiter auf Russisch. Das ist die Sprache, in der er seine Gedanken am besten formulieren kann. "Meine Teste sind anspruchsvoll und sollen zum Nachdenken anregen. Ich verlange viel von ihnen", sagt Sergei German. Allerdings kommen der schwarze Humor und Ausflüge ins Skurrile auch nicht zu kurz. In "Beard" beschreibt er beispielsweise eine romantische Szene, die sich mehr und mehr ins Gegenteilt verkehrt. Ein Liebhaber registriert erst im Laufe eines intensiven Techtelmechtels, dass seine Angebetete über einen höchst vitalen Haarwuchs verfügt - und zwar nicht nur auf dem Kopf.

Solche und ähnliche Geschichten bringt für Archipel Gulag allesamt Sergei German zu Papier. Beim Komponieren der Songs wechselt er sich hingegen mit dem Remsecker Gitarristen Thomas Güntter ab. Das Arrangieren der Stücke ist dann ein Gemeinschaftswerk, zu dem der Remsecker Drummer Peter Müller und der Beilsteiner Bassist Bernd Derdau auch einen gewichtigen Teil beitragen.

Bemerkenswert ist, dass sich Archipel Gulag kaum in eine der üblichen musikalischen Schubladen stecken lassen. "Klassische 80er-Jahre Rockmusik mit slawischem Einschlag und russischem Gesang" treffe es wohl am ehesten, sagt Thomas Güntter, der sein Geld als Leitender Angestellter in der Bauindustrie verdient. Von der theoretischen Seite sattelt der Profimusiker Bernd Derdau das Pferd auf. "Unsere Stücke sind sehr molllastig und haben verschachtelte Akkordstrukturen", erklärt der 54-jährige Beilsteiner. Zum Markenzeichen von Archipel Gulag gehört zudem, dass Bernd Derdau mit seinen Bassläufen eine vergleichsweise exponierte Stellung im Soundgefüge einnimmt. "In anderen Gruppen ist der Bass nur dazu da, die tiefen Töne zu spielen", sagt Thomas Güntter. Derweil verweist Sergei German auf die Russischen Formationen Alisa und DDT, die vergleichbare Musik machen.

So richtig durchgestartet sind Archipel Gulag mit dem Einstieg von Bernd Derdau vor drei Jahren. Zuvor bastelten Sergei German und Thomas Güntter eher im Verborgenen an Songs. Dann machte irgendwann Peter Müller den Drumcomputer überflüssig - ehe Derdau die Formation komplettierte. Seither trat das Quartett unter anderem im Red River Saloon in Heilbronn und beim Gipfel der Kultur in Bad Liebenzell auf. Der nun anstehende Gig in Oberstenfeld ist in gewisser Weise Chris von Gent zu verdanken, die das Cover der ersten CD designte. Über sie kam der Kontakt zum Kulturverein Oberes Bottwartal zustande. Dort ist nämlich ihr Vater Henk van Gent aktiv.

Möglicherweise werden Archipel Gulag bei dem Konzert auch den einen oder anderen traditionellen russischen Folksong in neuem Gewand präsentieren. "Das kommt bei den Leuten immer sehr gut an", sagt Thomas Güntter - und könnte auch eine Vorschau auf das sein, was die Band als nächstes plant. Die Jungs überlegen sich, eine EP mit solchen Traditionals zu veröffentlichen. "Natürlich mit modernisierten Texten", betont Sergei German. Denn von der Stange ist nichts bei dieser Gruppe. 



Russischer Rock aus dem Bottwartal

Großbottwar Die Band Archipel Gulag präsentiert ihre erste CD
von Phillip Weingand "Marbacher Zeitung"


Die Mischung klingt außergewöhnlich: klassischer Rock im Stil der 80er Jahre mit russischem Einfluss. Die Band Archipel Gulag wagt es seit 2009, diese Stilrichtungen zu kombinieren. Der russische Baritongesang von Sänger Sergei German, der mit seinem Keyboard einen Klangteppich legt, mischt sich mit den Riffs und Soli von Gitarrist Thomas Güntter. Derweil sorgen Bassist Bernd Derdau und Schlagzeuger Peter Müller für ein treibendes Fundament.

Die vier Musiker aus Marbach, Remseck und Beilstein haben am Samstag ihre erste CD mit dem Titel "Back to Nowokusnezk" vorgestellt. Bei der Release-Party in dem auch von der Musikschule Staudenmaier genutzten Probenraum in Großbottwar durften russische Verpflegung (Pirogi, Wodka und Krimsekt) ebenso wenig fehlen wie eine Diashow mit Foto- und Videoimpressionen aus Nowokusnezk. In der Stadt im Südwesten Sibiriens hat Sänger German seine Wurzeln, im Alter von 30 Jahren ist er mit seiner Frau nach Deutschland gekommen. Die Band spielt seit 2009 in der aktuellen Besetzung. Haupteinfluss sind laut German russische Bands aus den achtziger Jahren. "Bands wie DDT, Alisa oder Nautilus - russische Rockgeschichte eben", sagt er.

Der Bandname Archipel Gulag lehnt sich an das Hauptwerk des russischen Autoren Alexander Solschenizyn an. In seinem Buch beschäftigt sich dieser mit den berüchtigten stalinistischen Gefangenenlagern. Dass die Texte von Sänger Sergei German ebenfalls keine leichte Kost sind, dürfte damit klar sein. Es geht um Leben im Industriestaat oder im Untergrund, um Drogen und die Apokalypse. "Ich bin richtig begeistert von Horrorgeschichten", sagt German. Ein Song ist außerdem seinem guten Freund gewidmet, der damals in Germans Band in Sibirien Bass gespielt hat und mit 37 Jahren verstorben ist. Trotz abgründiger Themen hatten das Quartett und das Publikum am Samstag sichtlich Spaß. Denn die Musiker sind sich einig. Mit schlechter Laune kann man keine Musik machen. "Am meisten Spaß macht mir das Arrangieren von eigenen Stücken", sagt Peter Müller. "Ich könnte nie in einer reinen Coverband spielen."

Coverversionen gab es beim Liveset dennoch - aber natürlich im ganz Band-eigenen Sound. So gab es nicht nur eine Rockversion von "Kalinka" zu hören, bei der Gitarrist Thomas Güntter seine Gibson zur Balalaika umfunktionierte, sondern auch die Erkenntnis, dass das Lied, das die meisten Menschen als "Those were the days" kennen, ursprünglich ein russisches Volkslied mit dem Titel "Dorogoy? dlinnoyu" ist. Auch dieses ist als Rocksong auf "Back to Nowokusnezk" zu hören. Die CD ist unter anderem auf amazon.de erhältlich. Vorerst sind 1000 Stück gepresst worden. "Wir haben auch CDs an Radiostationen und Plattenfirmen geschickt" erzählt Bassist Bernd Derdau. 



Russenrock made in Remseck
"Back to Nowokusnezk": Die Band Archipel Gulag stellt ihre erste CD vor.

Von Leonore Welzin für "Heilbronner Stimme"


Großbottwar "Mainstream war noch nie meine Sache", sagt Bernd Derdau mit Verweis auf seine musikalischen Anfänge in Bands wie der Heilbronner Kultband Madison Bleed oder der Stuttgarter J. Boss Band. Für den Beilsteiner sind die Zeiten des Rock keine Vergangenheit. Im Gegenteil: Der Musiker, der seit 13 Jahren mit seiner Mobilen Disco unterwegs ist, tourt als Bassist und Keyboarder in unterschiedlichen Formationen (Hanselmann-Spacek-Group, Fett Zeppelin).

Seit wenigen Jahren ist Derdau Teil eines neuen Projekts: deutsch-russischer Rock des Trios Sergei German (Gesang, Keyboard), Thomas Güntter (Gitarre) und Peter Müller (Schlagzeug) aus Remseck, das Derdau nicht nur mit seinem Bass, sondern seinem erstklassigen Equipment und Knowhow ergänzt.

Slawische Schwermut trifft auf hippe Grooves, beseelte Lyrik auf fetzige Riffs. Mancher Titel erinnert an die Ausgelassenheit von Russendiscos, aber Texter und Sänger German ist eher ein philosophierender Melancholiker, der Balladen liebt, sich der rockigen Hammondorgel verweigert und die härtere Gangart seiner Kollegen mit Streichersound besänftigt.

Drogentod In Sibirien aufgewachsen, erzählt er von der dunklen Seite des Lebens, von Müllkippen, von Drogentod und einem Musikerfreund, der viel zu früh aus dem Leben schied. Wahre Geschichten sind das, deren Tragik auch spürbar wird, wenn sie, wie alle seine Songs, in der Sprache seiner Kindheit gesungen werden.

"Als ich die Jungs traf, wollten sie sich Sibirian Kowboys nennen, mit K!", so Derdau, dem dieser Name überhaupt nicht gefallen hat, zumal er an die berühmten Leningrad Cowboys denken lässt. "Wir haben nächtelang überlegt, schließlich sind wir auf Archipel Gulag gekommen. Das Buch von Solschenizyn prangert ja auch die düsteren Verhältnisse in den Lagern an, das passt zur Stimmung von Sergeis Liedern."

Sergeis Kompositionen haben Derdau sofort gefallen: "Akkordfolgen, wie es sie in keiner anderen Musik gibt". Verglichen mit Hardrock sei der Klang sehr balladenartig, die Struktur sehr verschachtelt.




Deutsch-russische Freundschaft
Von Leonore Welzin für "Heilbronner Stimme"

Heilbronn - "Na sdorowje!" Was die Trinkgewohnheiten betrifft ist Sergei German in Deutschland auf Bier umgestiegen. Denn Wodka-Konsum kann schneller ins Jenseits führen, als dem Russen lieb ist. Warnendes Beispiel sei ein Kumpel, der Bassist seiner Band, als er noch in Nowokusnezk musizierte.

Leberzirrhose

Den slawisch-melodischen Song "Ona" (Sie) hat er diesem Freund gewidmet, der 37-jährig an Leberzirrhose gestorben ist, obwohl er, wie German beteuert, bis zu seinem 30. Lebensjahr keinen Alkohol getrunken hatte. Seit diesem Sommer steht German (Keyboard, Gesang) nach langer Pause wieder auf der Bühne. Mit seinen deutschen Mitstreitern Thomas Güntter (Gitarre), Peter Müller (Schlagzeug) und Bernd Derdau (Bass) gibt German unter dem Bandnamen Archipel Gulag im Red River erste Kostproben eigener Kompositionen. Warm spielen sich die Musiker unter dem Motto "Wir singen russisch und spielen deutsch" mit "Warten". Germans Texte erzählen vom Leben in der ehemaligen Sowjetunion, von Menschen am Abgrund in "Deponie", von Drogenkonsum in russischen Vorstädten in "Schatten", wo man den kalten Wind und den Tod pfeifen hört. Ein kleines Bild der großen Apokalypse zeichnet "Maulwurf", ein blindes Tier, das sich am Ende aller Tage unter der Erde verkriecht. Prägnanter ist der "Sibirian Blues". Obwohl der studierte Maschinenbau-Ingenieur die Bluesschemen außer Kraft setzt, zaubert er eine bluesig schneeknirschende Melancholie.

Herrenrunde

Fahrt bekommt das Programm mit "Barada" (Bart) einem surrealen Stück über extremen Damen-Haarwuchs. Eine Herrenrunde, die eine Weihnachtsfeier hinter sich hat, stürmt das Lokal und ist vom fröhlichen Up-Beat der russischen Version von "Those Were The Days" begeistert. Sie möchten das Stück als Zugabe nochmal hören und schwingen zu einer verrückt-verrockten "Kalinka" Bierglas und Tanzbein. "Na sdorowje!" auf die deutsch-russische Freundschaft.





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